Gottorfer Globus
Geschichte
Rundgang
Technik I
Technik II
Rekonstruktion
Sphaera Copernic.
Hintergrundwissen
Literatur
Interessante Links
Autor
AMALIENBURG


Die Sphaera Copernicana
(Zustand vor der Restaurierung)

Die Planetenbahnen in der Sphaera Copernicana
(Zustand vor der Restaurierung)

 

DIE SPHAERA COPERNICANA

Während der Bau des Riesenglobus seiner Vollendung entgegenging, begann Andreas Bösch bereits mit seinem neuen Projekt, der sog. Sphaera Copernicana. Offenbar sollte sie das Konzept des großen Globus ergänzen und erweitern. Dieser bildete ja in seinem Inneren ein mechanisches Modell des Ptolemäischen Weltsystems, das man aber am Gottorfer Hof bereits als antiquiert erkannt hatte. Es lag also nahe, ein Demonstrationsmodell zu schaffen, das die wirklichen Verhältnisse im Universum nach der Theorie Copernicus’  zeigte - eine "Sphaera Copernicana".

Daß sich bei der Sphaera manche konstruktive und darstellungstechnische Parallele zum großen Globus zu findet, kann nicht verwundern. Allerdings war bei ihr "noch mehr Kunst als am grossen Globo zu sehen." Hier erregten die imposante Größe und die originelle Konzeption Staunen und Bewunderung, dort das komplizierte Räderwerk, das - von einem einzigen Uhrwerk angetrieben - 24 verschiedene Funktionen und Anzeigen gleichzeitig steuerte.

Obwohl man annehmen muß, daß Adam Olearius auch bei dem Bau der Sphaera Copernicana im Hintergrund stand, so war offenbar Andreas Bösch allein für die technische Durchbildung des Werkes verantwortlich. Natürlich beschäftigte er auch hier zahlreiche Mitarbeiter, so lieferte z. B. Hans Schlemmer das kräftige Uhrwerk für den Antrieb und Otto Koch besorgte die Ausgestaltung der Sternbilder. Nach ihrer Vollendung wurde die Sphaera Copernicana in der Gottorfer Kunstkammer, später in der Gottorfer Bibliothek aufgestellt.

Im Zuge der Räumung des Schlosses gelangte die kopernikanische Armillarsphäre 1750 in die königliche Kunstkammer nach Kopenhagen. Dort sollte sie 1824 ausrangiert werden; auf abenteuerlichen Umwegen gelangte sie 1872 an das Nationalhistorische Museum auf Schloß Frederiksborg in Hillerød. Dort ist sie auch heute noch zu besichtigen. Die Sphaera Copernicana wurde unlängst vom Atelier Andersen in Virket/DK sorgfältig restauriert. Dabei konnten nicht nur verschiedene wichtige Bauteile, die in der Vergangenheit abmontiert bzw. gestohlen worden waren, rekonstruiert, sondern auch ihre originale Farbfassung in einigen Bereichen wiedergewonnen werden.

 Die Sphaera Copernicana ist wesentlich kleiner als der Globus. Ihr Durchmesser beträgt 1,34 m, ihre Gesamthöhe 2,40 m, doch ist sie technisch sehr viel anspruchsvoller als der große Globus aufgebaut. Sie ruht auf einem hölzernen Sockelgehäuse, in dem sich ein sehr kräftiges Federuhrwerk verbirgt. Es verfügt über ein Gehwerk von 8 Tagen Laufzeit sowie über ein Viertelstunden- und ein Stundenschlagwerk, muß aber gleichzeitig auch 24 Bewegungsabläufe in der Armillarsphäre selbst in Gang halten. Die Hauptantriebswelle läuft dabei aus der Mitte des Uhrwerks senkrecht durch die ganze Armillarsphäre. Die Welle läßt sich abkuppeln, wenn die Bewegungen in der Armillarsphäre - unabhängig vom Uhrwerk - durch einen Handantrieb demonstriert werden sollen.

Im Zentrum der Armillarsphäre verkörpert eine blanke Messingkugel die Sonne. Um sie herum liegen rollengelagerte und -geführte gezahnte Messingringe, die die Bahnen der damals bekannten Planeten darstellen (von innen nach außen: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn). Die Planeten selbst sind durch kleine Silberfigürchen versinnbildlicht, die ihr jeweiliges Symbol in den Händen halten. Sie bewegen sich in den gleichen Zeiträumen um die Sonne, wie die richtigen Planeten im Sonnensystem. Ausgeklügelte Zahnradsysteme sorgen für die richtige Untersetzung von der senkrechten Antriebswelle bis zum Planetenring. Die Position eines jeden Planeten läßt sich manuell korrigieren.

Die Erdbahn trägt als einzige keine Silberfigur. Hier verkörpert eine Miniaturarmillarsphäre Erde und Mond. Die beiden Himmelskörper sind modellhaft durch Kugeln dargestellt. Die Erde vollführt ihre tägliche Rotation, wobei die Erdachse stets in dieselbe Richtung zum Himmelsnordpol weist. Der Mond kreist in 27,3 Tagen um die Erde und zeigt dabei seine Phasen. Anhand eines kleinen Zifferblattes auf dieser Miniaturarmillarsphäre läßt sich außerdem die Tageszeit ablesen.

Die äußere Umfassung des Planetensystems bilden zwei Armillarsphären, deren innere beweglich ist, während die äußere feststeht. Beide setzen sich aus jeweils sechs vertikalen Halbringen und einem Horizontring zusammen. Die innere Sphäre verkörpert das sog. "Primum mobile", das seinerzeit die langsame Verschiebung von Frühlings- und Herbstpunkt auf der Ekliptik erklärte. Zwei Messingbänder mit eingravierten Gradskalen machen diese Bewegung sichtbar. Ein Umlauf des Primum Mobile dauert 26.700 Jahre.

Die äußere, feststehende Sphäre trägt an ihren Ringen die Sternbildfiguren. Sie verkörperte damit das Himmelsgewölbe, so wie es von der Erde aus sichtbar ist. Von den ursprünglich 62 Sternbildfiguren sind nur noch 46 vorhanden. Sie bestehen aus Messingblech und sitzen innen an den Ringen der Sphäre. Ihre Innenseiten sind graviert und mit ihrem jeweiligen lateinischen Namen versehen. Als Vorlage für die figürliche Darstellung der Sternbilder konnte zweifelsfrei ein Himmelsglobus aus dem Amsterdamer Kartenverlag von Willem Jansz. und Joan Blaeu identifiziert werden. Die Sternbilder tragen auf ihren Innenseiten kleine, aufgenietete sechsstrahlig zugefeilte Silbersternchen, die - ihren tatsächlichen Helligkeiten entsprechend - von sechserlei Größe sind.

Der Handantrieb für die Armillarsphäre besteht aus einer auszieh- und arretierbaren Welle, auf die eine Kurbel gesteckt werden kann. Drehte man diese, so ließen sich die Bewegungsabläufe in der Sphaera Copernicana - genau wie im Riesenglobus - bedeutend beschleunigen, so daß sie dem Auge sichtbar wurden.

Die ganze Armillarsphäre wird von einem Anzeigewerk für verschiedene Tageseinteilungen und der darauf stehenden "Sphaera Ptolemaica" bekrönt. Das Anzeigewerk besteht aus drei konzentrischen Zylinderwandungen, die sich wie Kulissen voreinander verschieben. Eine kleine Sonnenscheibe, die ihre Höhe täglich verändert, zieht vor dem innersten Zylinder vorbei. Anhand der Kulissen und der Sonne lassen sich die Tageszeiten nach bürgerlicher, römisch-babylonischer und jüdischer Zeitrechnung ablesen. Da sich die letzteren beiden nach dem Sonnenlauf orientierten, verschieben sich ihre Tagesanfänge um jeweils einige Minuten. Aus diesem Grunde maßen die Astronomen schon seit der Antike den Tag von Mitternacht zu Mitternacht. Diese Einteilung setzte sich im 16. und 17. Jahrhundert allmählich auch im bürgerlichen Leben durch. Die verschiedenen Tageszeiten können also im 17. Jh. auch am Gottorfer Hofe noch eine gewisse Rolle gespielt haben, wenn sie auch wohl eher von wissenschaftlichem Interesse waren.

Oben auf dem Anzeigewerk sitzt schließlich die erwähnte kleine ptolemäische Armillarsphäre, die in Aufbau und Bewegungen eine vollständige Miniaturdarstellung des Riesenglobus ist. In der Mitte befindet sich eine kleine Erdkugel, die dem geozentrischen Weltsystem entsprechend stillsteht. Um sie herum liegt - ähnlich wie die Tischplatte im Riesenglobus - eine horizontale Scheibe, auf der eine Kompaßstrichrose eingraviert ist. Die darumherum liegende Sphäre symbolisiert den Sternenhimmel und bewegt sich einmal am Tage um die Erde. An der Innenseite der Sphäre bewegt sich ein Zahnkranz, der eine Sonnenfigur einmal im Jahre durch die Ekliptik trägt.

[Photos: A. Lühning]