TECHNIK DES GOTTORFER GLOBUS
Der Gottorfer Globus war im Kern eine Schmiedeeisenkonstruktion. Die Kugel besaß ein Gerippe aus 24 Meridianringen, die als T-Eisen ausgeführt waren und durch einen Äquatorring versteift wurden. Außen erhielt das Gerippe einen Belag aus Kupferblech, auf das man wiederum einen mehrschichtige Kreide-Leinwand- Grundierung aufbrachte, deren oberste Lage man polierte. Damit besaß man einen sauberen und glatten Malgrund für die als äußerst fein geschilderte Kartographierung. Innen wurde der Globus mit dünnen Kiefernleisten ausgekleidet, auf die ebenfalls eine mehrschichtige Kreide-Leinwand-Grundierung kam. Der Lukendeckel in der Globuswandung wurde von zwei Springschlössern gehalten. Befanden sich Personen im Globus, so blieb die Luke entfernt.
Die Kugel rotierte um eine feststehende, schwere, schmiedeeiserne Achse. Diese fußte am Fußboden in einem Mühlstein, oben war sie an einem Deckenbalken angeschlagen. Die Neigung der Achse entsprach – abweichend von der üblichen Globenaufstellung – mit 54° 30’ der Polhöhe Schleswigs. Der Grund für diese Neigung lag darin, daß das Planetarium im Globusinneren den Sternenhimmel über Schleswig darstellen sollte.
An die Achse war die ringförmige Sitzbankkonstruktion angebracht, die der Überlieferung zufolge 10 – 12 Personen fasste. Sie bestand aus schweren Eisenschienen, die untereinander verklammert mit schweren Schellen an der Achse befestigt waren und von dort - astartig und mehrfach verkröpft - nach außen wuchsen. Die ‚Äste’ trugen nicht nur die schmale Sitzbank, sondern auch die Lauffläche und eine runde Tischplatte in der Mitte. Als Rückenlehne diente ein breiter Horizontring aus Messing, der Indikationen zum gregorianischen und julianischen Kalender sowie astronomische Daten zur täglichen Sonnenhöhe trug.
Auf der Tischplatte in der Mitte lag kupferner Halbglobus. Er symbolisierte (dem kosmologischen Konzept des Globus entsprechend) die Erde als Mittelpunkt des Himmelsgewölbes. Da die Achsneigung des Globus der geographischen Breite Schleswigs entsprach, lag Gottorf mithin auf dem Scheitelpunkt des Tischglobus und bildete damit das Zentrum dieser künstlichen Wunderwelt. Um den Tischglobus lag ein horizontaler Ring mit geographischen Längenindikationen verschiedener Orte auf der ganzen Welt. Wurde der große Globus in Bewegung gesetzt, so strichen zwei diametrale Zeiger über diesen Ring und zeigten an, an welchen Orten der Welt gerade Mittag bzw. Mitternacht herrschte.
Der Sternenhimmel im Globus war – dem Zeitgeschmack entsprechend – farbig-figürlich gestaltet. Achtstrahlig gefeilte messingvergoldete Nagelköpfe stellten die Sterne dar. Sie waren in die traditionellen sechs Größenklassen unterschieden, um die realen Helligkeitsverhältnisse anzudeuten. Zwei Kerzen auf dem Tisch brachten die Sterne zum Funkeln. Entlang der Ekliptik im Himmelsgewölbe bewegte sich ein rollengelagerter Zahnkranz, auf dem ein Sonnenmodell aus geschliffenem Kristall montiert war. Die Sonne vollführte sowohl ihre tägliche (Auf- und Untergang) als auch ihre jährliche Bewegung (wechselnde Sonnenhöhen und Auf- bzw. Untergangsazimute im Jahreslauf). Über den Betrachtern wölbte sich ein Meridianhalbring mit einer Gradskala. Mond- und Planetenlauflauf ließen sich aufgrund ihrer komplizierten Bahnbewegungen (Wanderung der Knotenpunkte, Oppositionsschleifen) nicht in das mechanische Konzept des Globus aufnehmen.
Am Südpol des Globusinneren lagen drei Getriebe – eines davon bewegte über lange Wellen die ‚Weltzeituhr’ auf der Tischplatte, ein Planetengetriebe besorgte die Bewegung der Sonne, das dritte wurde für die Kraftübertragung zum Handantrieb benötigt. Denn der Globus ließ sich von seinem Inneren aus über eine Handkurbel bewegen, wobei hier die Kraft eines Fingers genügte. Eine Umdrehung dauerte etwa 15 min, was ausreichte, um dem Besucher alle Himmelsbewegungen eines Tages – und zwar so, wie sie von Gottorf aus zu sehen sind, vorzuführen. Natürlich ließ sich die Position des Sonnenmodells justieren um auch andere Jahreszeiten zu simulieren. Es handelte sich mithin um das erste begehbare Planetarium der Geschichte, das dem Besucher das Himmelsgeschehen ‚live’ demonstrierte.
[Modell u. Photo: Verfasser]