Gottorfer Globus
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Autor
AMALIENBURG


Der Neuwerkgarten aus der Vogelschau

 

GESCHICHTE DES GOTTORFER GLOBUS

Zwischen 1650 und 1664 entstand am Gottorfer Hofe Herzog Friedrichs III. ein "künstliches Monumentum mathematicum", das nach seiner Fertigstellung europaweite Berühmtheit erlangte: der Gottorfer Riesenglobus, der in einem eigens dafür errichteten Lusthaus in der Gartenanlage "Neues Werk" nördlich des Schlosses aufgestellt wurde. Dieser Globus von 3,11 m Durchmesser stellte von außen die Weltkugel dar, in seinem Inneren barg er ein Planetarium, das den Sternenhimmel und den Sonnenlauf samt ihren Bewegungen so zeigte, wie sie von der Erde aus zu sehen sind. Sein besonderer Reiz bestand darin, daß man in ihn hineinsteigen, dort platznehmen und die Sterne um sich herumkreisen lassen konnte, ohne dabei selbst bewegt zu werden. Der Globus war eine eigene Erfindung des Herzogs, die 'wissenschaftliche Leitung' dieses Projektes hatte allerdings sein Hofgelehrter und Bibliothekar Adam Olearius inne. Der aus Limburg herbeigeholte Büchsenmacher Andreas Bösch schließlich setzte die Idee des Herzogs in die Tat um.

Zusätzlich entstand in den Jahren 1654 - 57 die sog. "Sphaera Copernicana", die Bösch selbständig entwickelte und unter seiner Regie baute. Offenbar entstand sie als Ergänzung und Erweiterung des kosmologischen Konzepts des großen Globus und zu einem Zeitpunkt, da die Arbeiten am Globus selbst bereits weit fortgeschritten waren.

Vermutlich war der Globus schon recht früh wichtiger Bestandteil in der Planung des Neuwerkgartens. Während dieser jedoch bereits ab 1637 angelegt wurde, sah Herzog Friedrich erst 1650 die Zeit gekommen, um auch den Bau des eigentlichen Zentralpunktes, des Globushauses, in Angriff zu nehmen. Sieben Jahre später war das Gebäude vollendet. Wesentlich länger dauerte die Bauzeit des Globus: die Arbeiten wurden 1659 durch den Tod Herzog Friedrichs III. und den dänisch - schwedischen Krieg unterbrochen und fanden erst 1664 ihr Ende.

Wahrscheinlich war Adam Olearius der Architekt des Globushauses. Es stand nord-südlich ausgerichtet im Scheitelpunkt einer Mauer, die den halbkreisförmigen sog. 'Globusgarten' nördlich des Herkulesteiches einfriedete. Äußerlich war es ein symmetrisch aufgebautes, viergeschossiges quaderförmiges Backsteingebäude mit einem begehbaren Flachdach. In den drei- bzw. sechsachsigen Wänden standen große, überwiegend vierflügelige Steinzargenfenster. An allen vier Seiten besaß das Globushaus z. T. mächtige Anbauten, die bis zum zweiten Obergeschoß reichten; der nördliche Anbau ragte als Turm über das übrige Gebäude hinaus und wurde von einem zwiebelförmigen Kupferhelm bekrönt. Die Anbauten an den Längsseiten waren das Ergebnis einer nachträglichen Änderung des Bauentwurfs.

Das Raumkonzept des Gebäudes sah zwei übereinanderliegende, niedrige Kellergeschosse vor, darüber das Hauptgeschoß mit dem Globussaal und schließlich das Obergeschoß mit zwei Schlafkammern, Kabinett und einem größeren Saal nach Süden. Die beiden oberen Geschosse waren durch eine im Turm befindliche Spindeltreppe verbunden, die auch weiter auf das große Flachdach führte. Das Niveau des Hauptgeschosses mit dem Haupteingang im Norden lag auf Höhe der ersten Gartenterrasse. Der untere der beiden Keller lag ebenerdig mit dem südlich davor gelegenen Globusgarten. Mit einer Grundfläche von 200 Quadratmetern (ohne die Anbauten) und einer Höhe von fast 14 m (ohne den Turm) handelte es sich um ein für damalige Zeiten stattliches Bauwerk. Vielleicht wurde ihm deshalb gelegentlich der Name "Friedrichsburg" beigelegt. In der Gottorfer Amtssprache hieß das Gebäude jedoch nur 'Lusthaus'; erst in den letzten Jahrzehnten seines Bestehens wurde es häufiger "Globus-Haus" genannt.

Mit seinem kubushaften Baukörper und dem begehbaren Flachdach entsprach das Globushaus ganz den zeitgenössischen Lusthäusern in Italien, den Niederlanden und in Dänemark. In seinen baulichen Details folgte es ganz den Formen des frühen niederländischen Barock, wie sie damals in Schleswig-Holstein allgemein üblich wurden.

Mittelpunkt und Kernstück des Globushauses war natürlich der große Globus. Er entstand gleichzeitig mit und in dem Gebäude - seine Einzelteile wurden in einer vom Hofe angemieteten Schmiedewerkstatt auf dem Hesterberg angefertigt und im Globushaus zusammengesetzt. Dazu beschäftigte Andreas Bösch über Jahre hinweg einen Handwerkerstamm von 7 - 9 Personen, der sich aus Schmieden, Schlossern, Uhrmacher, Kupferstechern, Graveuren, Tischlern und Malern zusammensetzte und zu dem gelegentlich noch auswärtige Betriebe, wie z. B. eine Husumer Messinggießerei herangezogen wurden. Unter ihnen befanden sich die Gottorfer Uhrmacher Nikolaus Radeloff und Hans Schlemmer, der Gottorfer Kupferstecher Otto Koch und die Kartographen Christian und Andreas Lorenzen gen. Rothgießer aus Husum. Auch Adam Olearius selbst betätigte sich mit Pinsel und Feder als Kartograph.

Über die Nutzung des Globushauses ist wenig überliefert, obgleich Grabungsfunde von ausgedehnten Mahlzeiten im Gebäude zeugen. Nach dem Tode Herzog Friedrichs III. scheint es jedoch nur noch selten benutzt worden zu sein. Dementsprechend wies es zahlreiche Bauschäden auf, die insbesondere auf die undichten Flachdächer zurückzuführen waren. Der große Globus blieb allerdings stets ein beliebtes Vorzeigeobjekt, das interessierten Besuchern gerne vorgeführt wurde.

Der berühmteste - und verhängnisvollste - Besucher des Globushauses war Zar Peter d. Große, der im Zuge des Nordischen Krieges am 6. Februar 1713 mit dem dänischen König Friedrich IV. auf Gottorf zusammentraf. Zar Peter zeigte ein solches Interesse für den Globus, daß die große Kugel nur wenige Wochen später - halb Kriegsbeute, halb Staatspräsent - nach St. Petersburg versandt wurde, wo sie nach vierjähriger Reise 1717 eintraf. Hier erhielt der Globus seinen Platz in der zaristischen Kunstkammer. Als diese 1747 ausbrannte, erlitt auch der Globus schwersten Schaden; nur seine Metallteile blieben erhalten. Noch im gleichen Jahre wurde er auf Befehl der Zarin Elisabeth unter der Leitung des Gelehrten Michael W. Lomonossow (1711 - 1765) wiederhergestellt, wobei die mittlerweile gewachsenen geographischen Kenntnisse gebührend berücksichtigt wurden. Lediglich die alte Einstiegsluke des Globus blieb vom Brand verschont - sie zeigt heute noch die originale Bemalung des 17. Jahrhunderts mit dem Gottorfer Wappen.

In Schleswig hatte man, um die gewaltige Kugel unzerlegt aus dem Globushaus herauszubekommen, an seiner Westseite eine große Öffnung in die Wand stemmen müssen. Damit war das Gebäude seines eigentlichen Inhaltes beraubt und sein Schicksal besiegelt. Es führte von nun an nur noch ein Schattendasein. Alle anfallenden Reparaturen wurden nur halbherzig ausgeführt und konnten den fortschreitenden Verfall nicht aufhalten. Noch gut 50 Jahre stand das Gebäude ohne Nutzung da, bis es im November 1768 auf Anordnung König Christians VII. von Dänemark öffentlich zum Abbruch versteigert wurde. Ein Schleswiger Handwerksmeister erwarb die Ruine; ein Jahr später erinnerte nichts mehr an das Globushaus. Solcherart ging ein Bauwerk verloren, dessen Entwurf, Konzeption und Programmatik in der Architektur- und Technikgeschichte wohl einzigartig dasteht.

[Zeichnung: Verfasser]