Gottorfer Globus
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Autor
AMALIENBURG


Ansicht des Globushauses von Süden

 

REKONSTRUKTION DES GOTTORFER GLOBUS UND DES GLOBUSHAUSES

Der ungewöhnlichen Größe und Konzeption des Globus ist es zu verdanken, daß über ihn von der ältesten bis in die jüngste Vergangenheit viel berichtet worden ist. Doch alle Berichte vermittelten kein genaues Bild, wie die Gottorfer Anlage wirklich beschaffen war. Auch den historischen Abbildungen war in dieser Hinsicht nichts abzugewinnen. So beschränkte sich der Kenntnisstand gezwungenermaßen auf das Wissen um die Erbauer des Globus, die Bauzeit, die übrigen Zeitumstände und auf mehr oder weniger oberflächliche Beschreibungen des Globus und des Gebäudes, in dem er stand. Alle Beschreibungen ließen weder Rückschlüsse über die genaue Aufstellung des Globus im Gebäude, noch über sonstige baulich-technische Details oder das Aussehen des Globushauses zu.

Allein ein um 1708 im Zuge einer Generaltaxation entstandenes, umfangreiches Bauinventar der herzoglichen Residenz, das über den baulichen Wert und Zustand aller Hofgebäude und Gärten Rechenschaft ablegte, lieferte konkrete Angaben. Auch beim Globushaus wurde hier fast bis zum letzten Nagel wurde alles verzeichnet, was sich in und am Gebäude fand. Die Qualität und Anschaulichkeit des Inventars vermochte fast das zu ersetzen, was die Bildquellen bislang verweigert hatten.

Ausgehend vom Inventartext begann der Verfasser 1991, eine verläßliche zeichnerische Rekonstruktion des Globushauses vorzubereiten. Dazu gehörten vor allem umfangreiche Archivrecherchen, die sich auf die baulich-technischen Aspekte der Globusanlage konzentrierten - insbesondere die Abrechnungen der herzoglichen Rentekammer über den Bau, die Reparaturen und den Unterhalt des Globushauses. Aus ihnen ergab sich eine Fülle weiterer Angaben hinsichtlich Art und Menge der für den Globus und das Haus gelieferten Bauteile, über die Kosten, die Anzahl und die Namen der beim Bau beteiligten Leute. Die Akten der Baubehörde lieferten genaue Maßangaben des Gebäudes und in einem Falle auch eine maßstäbliche Grundrißzeichnung. Eine Ergrabung und Einmessung der Globushausfundamente bestätigte die Maßangaben aus den schriftlichen Quellen.  

Der Globus selbst ist auch heute noch in St. Petersburg in seinen wesentlichen konstruktiven Teilen original vorhanden, so daß ein Aufmaß möglich war und die Rekonstruktion fehlender Bauteile keine Schwierigkeiten bot. Bestehende Zweifel hinsichtlich technischer Details wurden durch Vergleiche an der Sphaera Copernicana im Nationalhistorischen Museum auf Schloß Frederiksborg in Hillerød/DK überprüft bzw. ausgeräumt. Auch was die verlorengegangene Originalfassung der Kartierung (Erde und Himmel) angeht, so konnten zweifelsfreie Vorbilder nachgewiesen werden. Die Rekonstruktion des Globus ließ sich daher sowohl hinsichtlich seiner Konstruktion, seiner technisch-astronomischen Inhalte, als auch seiner Gestaltung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anfertigen. So lag am Ende der Nachforschungen ein umfangreiches Material vor, das zunächst geordnet werden mußte und dann wie ein Mosaik unter handwerklich-konstruktiven Gesichtspunkten zusammengefügt und zu einem in sich schlüssigen Ganzen errichtet werden konnte.

Als Ergebnis legte der Verfasser 1997 eine Rekonstruktion des Globushauses im Neuwerkgarten in Zeichnungen und Modellen vor, die in der Hauptsache auf einem intensiven Studium schriftlicher Quellen fußt. Diese belegen zu etwa 80 % das Vorhandensein der Baumaterialien, zu 90 % die Raumfolge und -verteilung, zu 80 % die Dimensionen und zu 50 % das Aussehen des Gebäudes bzw. seiner Einzelteile. Hier muß allerdings eine feinere Abstufung erfolgen: bestimmte Bauteile sind dank Grabungsfunden zu 100 % gesichert, andere Teile ließen sich anhand genauer Beschreibungen und andernorts erhaltener Vorbilder aus der Werkstatt desselben Meisters zu 90 % belegen (insbes. Portale), wiederum andere Bauteile sind überhaupt nicht beschrieben und mußten unter Anlehnung an zeitgenössische Vorbilder und unter Maßgabe der im 17 Jh. üblichen bautechnischen Lösungen rekonstruiert werden (insbes. Balkenlagen). Die äußere und innere Gestaltung (Mauerwerk, Maueranker, Fenster, Stuck, Zierelemente etc.) der Rekonstruktion lehnt sich, solange eindeutige Belege fehlen, stets an die schlichteste Form zeitgenössischer Vorbilder an. Die Grundrißmaße des Gebäudes sind zu 100 % gesichert.

Jüngste Grabungen, die seitens des Landesamtes für Ur- und Frühgeschichte mit erheblich größeren technischen Mitteln durchgeführt werden konnten, als dem Verfasser seinerzeit zur Verfügung standen, machen heute eine leichte Revision der bisherigen Rekonstruktion im Fundamentbereich notwendig (die seitlichen Anbauten ruhten auf einer Pfahl- und nicht, wie angenommen, auf einer Feldsteingründung), bestätigten aber in wesentlichen Teilen die Vermutungen des Verfasser. Leider erwies sich der interessanteste Fundamentbereich, der Teil, in dem der Wasserantrieb gelegen haben muß, schon als zerstört (hier waren in den 60er Jahren Baggerarbeiten unternommen worden), so daß man hier  auf Mutmaßungen angewiesen bleibt.

Der Wasserantrieb für den Globus bildet einen Sonderfall (vgl. den Abschnitt "Technik II"). Die wesentlichen Getriebeteile (Zahnräder, Schnecken, Wellen) sind zwar sämtlich archivalisch nachzuweisen; auch lassen die in den Quellen angegebenen Gußgewichte gute Rückschlüsse auf ihre Dimensionen zu, wie auch die Lage einiger Bauteile im Gebäude beschrieben worden ist. Da die Maschinerie jedoch letztlich eine singuläre Erscheinung war und keine Vorbilder besaß, mußte der Verfasser hier zu 60 % eigene Mutmaßungen anstellen.

[Zeichnung: Verfasser]